Es lebe die Vielfalt
Süss, sauer, fruchtig, frisch, herb und bitter. Ohne Obst wäre die Cocktail-Landschaft eintönig und fad. Egal ob als Saft, geschmackvolle Dekoration oder dank der intensiv wirkenden ätherischen Öle der Schale: Eine Bar ähnelt immer auch ein wenig einer gut bestückten Obsttheke, wie man sie aus dem Supermarkt kennt. Es lebe die Vielfalt. Und genau die ist der Grund, warum immer mehr Gemüsesorten ihren festen Platz auf der Zutatenliste vieler Cocktails finden. Es gibt viel zu entdecken, zu lernen und zu verstehen. Mit unserer Warenkunde bist du bestens informiert – nicht nur über die Basics.
Beginnen wir mit den absoluten Klassikern der Bar-Szene: den Zitrusfrüchten. Wusstest du, dass Orange und Zitrone ursprünglich aus China stammen? Auf ihrem Weg nach Europa sammelten sie noch die Limette ein, die, so wird heute angenommen, eigentlich in Indien zu Hause ist. Die Grapefruit hingegen kam vom anderen Ende der Welt zu uns – von den westindischen Inseln vor Mittel- und Südamerika. Heute werden diese Früchte zwar in vielen Regionen der Welt angebaut – Nur in Mitteleuropa gestaltet sich das aufgrund der klimatischen Bedingungen schwierig. Die Früchte haben in der Regel also eine weite Reise hinter sich, bevor du sie für Cocktail-Rezepte verarbeitest. Ein Grund mehr dafür, sie gewissenhaft zu verwenden und die Teile, die du nicht brauchst, nicht einfach wegzuwerfen. Aber das ist eigentlich ganz einfach. Überschüssiger Saft kann gekühlt aufbewahrt und später eingesetzt werden. Die Schalen der Zitrusfrüchte stecken voller ätherischer Öle, die, zum Schluss der Zubereitung in den Drink gespritzt oder auf den Rand des Glases gerieben, dem Geschmack des Cocktails das definitive i-Tüpfelchen Finesse verleihen. Übrig bleiben muss von einer Zitrusfrucht eigentlich gar nichts.
Leckere Äpfel, frische Beeren, knackige Kirschen: Was die Zutaten angeht, sind der Kreativität in der Mixologie generell keine Grenzen gesetzt. Und wer kann bei mehr Vielfalt im Glas und kurzen Wegen schon widerstehen? Aber: Welche Frucht wirklich gerade Saison hat, ist manchmal gar nicht so einfach herauszufinden. Im Supermarkt gibt es eigentlich ja immer alles. Wer wirklich saisonal einkaufen und mixen möchte, dem sei zunächst ein Saisonkalender empfohlen. Die gibt es kostenlos im Netz, spezifisch für Länder und Regionen. Wie wäre es also zu Beispiel im Juli mit einer Reihe von Kirsch-Drinks? Die geschmackliche Vielfalt reicht von zuckersüß bis angenehm sauer und lässt sich mit zahlreichen anderen Zutaten kombinieren, auch mit im Glas eher untypischen wie Schokolade. Heidelbeeren haben bis in den August hinein Saison und passen wunderbar zu Ingwer, Zimt und Zitronengras. Und der Apfel harmoniert je nach Sorte zum Beispiel mit schwarzem Tee, Basilikum und Weisswein – eine perfekte sommerliche Erfrischung.
Obst- und Gemüsesorten haben die vielfältigsten geschmacklichen Eigenschaften. Einige davon liegen auf der Hand bzw. auf dem Gaumen, andere wiederum erschliessen sich erst, wenn man sich das Produkt buchstäblich langsam und konzentriert auf der Zunge zergehen lässt. Und sich auch umschaut, was andere Bartender schon mit den Produkten gezaubert haben. Absurd oder unsinnig solltest du zunächst einmal gar nichts finden. Probier es und dich aus. Und wenn es mal nicht klappen sollte, ist das überhaupt nicht schlimm. Nimm den halben Apfel, die geschnittene Rote Bete, die Gurkenscheiben oder die Heidelbeeren, bewahre sie auf und verarbeite sie weiter. Du weisst ja: Auch Bartender müssen mal was essen zwischendurch.
Und welche geschmacklichen Eigenschaften haben sie? Schmeckt nach Zitrus, richtig? Ja und nein. Die fruchtige Süsse der Orange ist ein guter Einstieg, den Geschmack der meist angebauten Zitrusfrucht der Welt kennt jeder. Die Zitrone hingegen verleiht Cocktails eine angenehme Säure und schmeckt dabei frisch und – Überraschung! – auch ein wenig nach Limonade. Saurer als die Zitrone ist hingegen die Limette. Sie punktet im Glas mit weniger Fruchtzucker und ikonischer Würze, die vielen Drinks zu einzigartigem Geschmack verhilft. Und die Grapefruit bietet sich besonders für Rezepturen an, in denen der fruchtige Charakter nicht alleine stehen, sondern vielmehr mit einer gewissen Herbe harmonieren soll.
Wichtig beim Umgang mit Zitrusfrüchten: Verwende ausschliesslich Bio-Qualität. Da du viel mit der Schale hantieren wirst, solltest du gespritzte Lebensmittel unbedingt vermeiden.
Auch wenn die Zitrusfrüchte absolute Klassiker der Bar-Kultur sind – ein echter Bartender hat mehr im Köcher. Nicht zuletzt, um flexibler zu sein und auch mit regionalen und saisonalen Zutaten arbeiten zu können. Denn was im Restaurant immer wichtiger wird, gilt auch für den abendlichen Drink.
Gemüse im Cocktail ist ein vergleichsweise neues Phänomen und bietet doch endlose Möglichkeiten für schmackhafte Experimente. Auch hier gilt: Die Rohstoffe müssen nicht von weit her importiert werden, viele von ihnen wachsen im heimischen Garten und warten nur darauf, ihren Geschmack im Glas zu entfalten. Beim Stichwort Gemüse und Cocktail denkt man natürlich zunächst an die Gurke und die bekannte Gin-Tonic-Variation oder den Moscow Mule. Der hohe Wasseranteil des Kürbisgewächs passt generell gut zu leichten Spirituosen, ist durch und durch frisch und setzt mit sanfter Bitterkeit nicht nur eigene geschmackliche Akzente, sondern wirkt auch neutralisierend.
Spätestens seit dem Siegeszug des Gurken-G&T haben auch andere Gemüsesorten Einzug in der Bar gehalten. Die Karotte beispielsweise versteht sich dank ihrer subtilen Süße gut mit Früchten wie der Orange oder der Papaya, setzt in diesem Zusammenspiel mit ihrer speziellen Würze dabei jedoch ganz eigene Akzente. Das Gleiche gilt auch für Rote Bete, die wir dank des Borschtschs ja ohnehin schon gewohnt sind, sie kann nämlich auch in flüssiger Form überzeugen. Im Cocktail sorgt die Rübe einerseits für strahlendes Rot. Andererseits passt der erdige und herb-süsse Geschmack wunderbar zu Drinks, in denen Eiweiss oder auch Buttermilch eine tragende Rolle spielen.