Nur das beste aus der Frucht
Bei den Fruchtspirituosen ist man sich einig: Nicht zu süss, aber fruchtig und reintönig sollen sie schmecken. Und vor allem sollen sie geschmeidig und weich den Gaumen hinab. Keine andere Spirituose wie jene aus der Frucht wird so sorgfältig vermessen, gepflegt und destilliert, soll sie doch eine besonders hohe Qualität aufweisen.
«Obstbrand», «Obstwasser», «Obstler» oder im französischen auch «Eau de vie» – Edelbrände aus der Frucht gehören zu den ganz grossen Klassikern der Spirituosenwelt. Vor allem sind es die Brände aus dem Kernobst (z.B. Apfel, Birne, Quitte), aber auch aus dem Steinobst (z.B. Kirsche, Pflaume, Zwetschge, Mirabelle, Marille, Schlehe) und aus dem Beerenobst (z.B. Himbeere, Johannisbeere, Holunder, Erdbeere, Vogelbeere), welche den Gaumen der Geniesser erfreuen. Zudem ist heute auch ein Hang zu Spezialitäten zu verspüren, und so werden alte, ausgestorbene Obstsorten rekultiviert und gebrannt oder Experimente gewagt (z.B. Mandarine, Mango, Maracuja). Und auch wenn sich die Liga der Obstbrände in den vergangenen Jahren etwas schwertat, an den Tresen der hiesigen Bars feiern sie häufig im Geheimen ihre hohe Qualität im Purgenuss oder oft auch in geschmackvollen und kräftigen Drinks.
Dabei reicht die Geschichte der fruchtigen Spirituosen schon weit zurück – bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist die Herstellung im europäischen und alemannischen Raum verbürgt, und zwar überall dort, wo der Anbau von Wein nicht kultiviert werden konnte oder sich lohnte – darunter die die nördlichen Alpenränder, die Vogesen, das Rheintal und der Schwarzwald; aber auch Regionen in Mittel- und Osteuropa. Die Herstellung diente den Bauern zu allererst zur Resteverwertung und als zusätzliche Einnahmequelle – ob als einfacher «Obstmost» oder eben als destillierter «Bauernbrand». Lange verblieb der Obstbrand so im Regionalen. In den 1980er Jahren feierte er jedoch vor allem von Österreich aus – darunter Vorarlberg und Steiermark – sein Comeback als Digestif nach einem guten Mahl. Heute wird der Edelbrand aus der Frucht wieder vielfach gefeiert.
Schonende Verarbeitung zu feinsten Qualitäten
Die Verarbeitung und Destillation von Früchten kommt einem «Reinheitsgebot» nahe, will das teure Obst – der Alkoholertrag ist recht gering – doch sensibel behandelt werden. Auch setzt man vermehrt auf unbehandelte Bioqualitäten für einen reintönigen Charakter frei von Schadstoffen und Fehlnoten. Zur Ernte sollte das auserwählte «Brennobst» seine optimale Genussreife besitzen. Und sie muss schonend und unverletzt geschehen. So wird zumeist von Hand geerntet oder auch durch das Abschütteln mit Hilfe von Fangnetzen. Anschliessend müssen die Früchte «entrappt», das heisst von Stielen und Blättern befreit werden, erst dann wird das gewonnene Fruchtfleisch zerkleinert. Steinobst wird zudem ganz oder zum Teil «entsteint» – denn er sorgt je nach Anteil für die berühmten Mandel- und Marzipannoten im Destillat.
Die folgende Einmaischung und Vergärung bei konstanter Temperatur dauert zehn Tage bis zu mehreren Wochen (oder gar Monaten) und wird mit der natürlich enthaltenen Hefe angeregt, aber auch mit Reinzuchthefen optimiert. Zum Ende der Gärung ist je nach Frucht zudem zwischen dem «Gärstopp» und dem tatsächlichen «Gärende» für den richtigen Destillationszeitpunkt zu unterscheiden. Und auch die Destillation ist je nach Frucht individuell durchzuführen. So kann die Maische im Brennapparat, zu schnell erhitzt, leicht anbrennen, aber auch einen allzu kräftigen Schaum erzeugen. Umso mehr setzt man heute auf eine kontrollierte, indirekte Hitze z.B. durch ein Wasserbad. Destilliert wird entweder traditionell auf dem Kupferbrennkessel im Rauh- und Feinbrandverfahren oder modern auf der Kolonne. Je nach gewünschter Qualität oder Alter kann in Glasbehältern gelagert oder in Fässern gereift werden.
So streng wie die Herstellung sind auch die Etikettfragen. So müssen die verwendeten Früchte in absteigender Reihenfolge der Menge nach benannt werden – etwa als «-brand» mit vorangestellter Fruchtbezeichnung oder «Obstbrand aus…». Enthält der Name eine einzelne Frucht (z.B. «Williams-Christ Birne»), dürfen keine weiteren Früchte enthalten sein. Zudem gibt es vereinzelt geographische Angaben (z.B. «Schwarzwälder») oder auch verbürgte Kurznamen (z.B. «Williams», «Kirsch», «Pflümli», «Quetsch» oder «Mirabell»). Zum Obstbrand oder -wasser bzw. Obstler gesellt sich schliesslich der «Obstgeist». Für diesen werden ganze, nichtvergorene Früchte, deren Zuckergehalt zu niedrig für eine alkoholische Gärung ist, mit dem Alkohol erst mazeriert und dann destilliert («Geistverfahren») – wie es zum Beispiel bei Himbeeren der Fall ist. Ein «Obsttresterbrand» wird wiederum aus dem Trester von einer oder mehreren Obstsorten – ausser Weintrauben – gewonnen.
Vom Apfelbrand zum Holdrio – für jeden Geschmack die passende Frucht
Da die Welt der Früchte recht gross ist, gibt es auch eine entsprechend breite Anzahl an Qualitäten unter den Fruchtspirituosen (z.B. jene der Distillerie Willisau, von Landtwing, La Valadière, Reine Margot oder Ueli´s). Klassiker bilden die Kernobstbrände aus dem Apfel oder aus der Birne. Hinzu kommen die Steinobstbrände z.B. aus Zwetschgen (z.B. als «Slivovitz»), Pflaumen («Pflümli») oder Aprikosen. Eine Spezialität hierzulande bildet auch der beliebte «Kirsch», der traditionsgemäss in vielen Schweizer Regionen hergestellt wird. Unter den besonderen Bränden finden sich die «Vieille» Brände (z.B. Vieille Prune) oder der aus dem moussierenden Apfelwein («Cidre») aufwändig erzeugte «Calvados» (z.B. Château du Breuil, Coeur du Breuil, Morin Père et Fils) aus der Normandie in Frankreich. Die Liga der «Convenience» Brände (z.B. Holdrio, Jägertee, Rum Punch oder Glühwein Punch) rundet das grosse Programm der Fruchtspirituosen ab. Ergo: für jeden Geschmack die passende Frucht!