Der Götterschluck aus dem Herzen der Agave
Tequila und Mezcal bilden eine Spirituosenkategorie, die lange Zeit im Schatten anderer Trendgetränke stand. Doch hat sich das Blatt längst gewandelt. Und so gibt es den Agavenbrand aus Mexiko heute in einer beachtlichen Auswahl an eindrucksvollen Qualitäten. Einblicke in die Geschichte, die Produktion und die Vielfalt rund um das Agavendestillat.
Tequila und Mezcal, das sind beides Bezeichnungen für den von Mythen umwobenen Göttertrank aus Mexiko, der aus dem Herzen der Agave gewonnen wird. Und beide liegen im Trend und dürfen im gleichen Atemzug mit Wodka, Cognac oder Whisky genannt werden. Denn nicht nur ist der Agavenbrand über die Jahrhunderte zu einem echten Qualitätsprodukt des Landes erwachsen. Ebenso ist er heute reich an vielen Geschmacksvarianten und Altersstufen. Derart hat sich der destillierte «Götterschluck» der Azteken auch bei uns etabliert. Sowohl Mezcal als auch Tequila werden gerne pur genossen, zumeist von Salz und Zitrone zur geschmacklichen Abrundung begleitet. Auf den Tisch kommt er aber auch als traditionelle «Sangrita» oder im berühmten Longdrink Tequila Sunrise. Ein Klassiker unter den Mixed Drinks ist aber auch die Margarita mit Salzrand, in einer modernen Variante z.B. auch als Buttermilch Margarita.
Von Honigwein zum genussvollen Agavenbrand
Vor diesem Hintergrund sind sowohl Mezcal als auch der Tequila gleichen Ursprungs. Wo der Mezcal jedoch bis heute nach traditioneller Manier im Prinzip in ganz Mexiko produziert wird, bildete sich mit dem Tequila eine scharf regulierte Variante heraus. Tequila darf nur in Jalisco (u.a. in der gleichnamigen Stadt Tequila) sowie in vier weiteren Bundesstaaten (Nayarit, Michoacán, Guanajuato, Tamaulipas) auf Grundlage der «blauen Weber Agave» («Agave tequilana») hergestellt werden. Angepflanzt werden die Jungagaven in der Trockenzeit zwischen Februar und Juli. Ihr besonderes Merkmal ist das ca. 8-12-jährige Wachstum im trockenen Klima, währenddessen sie von den «Jimadores» gepflegt werden. Zum Höhepunkt ihrer Reife geerntet werden die kräftig angeschwollenen und mit hohen Zuckergehalt versehenen Herzen («Piñas») von den Blättern und der Schale aufwändig mit scharfen Spaten («Coa del Jima») befreit. Nach langer Reifezeit ist die Ernte von süsser Frucht gesegnet.
In den Produktionsanlagen, vielerorts in die grossen, alten Haciendas integriert, sorgen die «Honores» für die Zerstückelung der Agaven. Anschliessend werden sie entweder in modernen «Autoklaven» über mehrere Stunden unter Druck, oder aber in traditionellen Lehmöfen («Horno») über mehrere Tage über Dampf gegart, um die in den Agaven enthaltene Stärke in fermentierbaren Zucker umzuwandeln. Nach mehrstündiger Kühlung – der sogenannten Ruhephase – werden sie in Mühlen zerkleinert, um das zuckersüsse Honigwasser («Aguamiel») durch Auspressung zu gewinnen. Mehrere Tage vergärt es kontrolliert zum süssen «Mosto» und wird anschliessend, zumeist zweifach, zum frischen «Ordinario» destilliert. Die Reifung erfolgt in aller Regel in gebrauchten oder auch in frischen, amerikanischen Eichenfässern. Tequila darf mit 38-55% Alkoholvolumen abgefüllt werden.
Im Unterschied zu Tequila wird Mezcal, der ursprüngliche Agavenbrand, in ganz Mexiko, offiziell aber vor allem in den Bundesstaaten Oaxaca, Guerrero, Durango, San Luis Potosí und Zacatecas aus verschiedenen kultivierten oder wild wachsenden Agaven («Wildagaven») produziert (z.B. Tobalá). Vielfach sind es landwirtschaftliche Höfe, die ihn in kleinen Mengen mit über viele Generationen weitergegebener Expertise in traditioneller Machart herstellen. So werden die Agavenherzen wie einst in Erdgruben («Palenques») mehrere Tage lang über Holzkohle gedämpft und geröstet, was ihnen ein erdig-rauchiges Aroma verleiht. Anschliessend werden sie mit einem traditionellen Mühlstein zermalmt. Die Destillation des Agavenbreis erfolgt heute in aller Regel zweifach und zumeist auf klassischen Kupferbrennkesseln. Mezcal gibt es entweder ungereift sowie in Holzfässern gereift.
Fruchtig, fassgereift, geraucht oder mit Kaffee verfeinert
Eine weit verbreitete Qualität des Tequilas ist der ungereifte, klare, frische und vollfruchtige «Blanco» (auch «Plata», «White» oder «Silver»). Weiters gibt es den goldenen Blend aus ungereiftem und gereiften Tequila («Joven», «Oro», «Gold»). Ein «Reposado» («Rested») wird mindestens zwei Monate gereift, ein «Añejo» («Aged») mindestens 1-3 Jahre und ein «Extra-añejo» («Ultra-Aged») mindestens 3 Jahre in maximal 600 Liter fassenden Eichenfässern. Voneinander zu unterscheiden ist zudem der «100% Agave» Tequila vom häufig vertretenen «Mixto» (z.B. als Oro, aber auch als Blanco, Reposado und Añejo). Der erstere wird zu 100% aus Agaven gewonnen. Der letztere muss zu mindestens 51% aus Agaven destilliert werden und darf maximal 49% anderem Zucker enthalten (z.B. Rohrzucker oder Melasse), welcher während der Vergärung zugeführt wird. Dazu kommen weitere Varianten, die vom Kaffeelikör (z.B. Sierra Café) bis hin zu besonderen Qualitäten wie besonders gerauchtem Tequila (z.B. Sierra Milenario Fumado) reichen.
Seit einigen Jahren darf auch Mezcal als 100% Mezcal oder anteilig mit Zucker versetzter Mezcal hergestellt werden. Er kommt als «Joven», «Reposado» oder «Añejo» auf den Markt, wobei dank seines besonderen Geschmacksprofils häufig der ungereiften Variante der Vorzug gegeben wird. Abgefüllt erhält jede Flasche Tequila oder Mezcal eine sogenannte «NOM»-Nummer («Normas Oficiales Mexicanas»), welche auf den Produzenten verweist. Überwacht wird dessen Herstellungsprozess durch die von der mexikanischen Regierung beauftragte Aufsichtsbehörde «Consejo Regulador del Tequila, A.C.» (CRT). Für Tequila gilt zudem, dass dieser in Mexiko abgefüllt werden muss, um als Tequila zu gelten.
Viele Tequila-Qualitäten gibt es zum Beispiel von Sierra Tequila sowie als Sierra Tequila Milenario in einer Premium Variante aus «100% Agave». Unter den Mezcals finden sich vor allem Qualitäten auf Grundlage verschiedener Wildagaven (z.B. Meteoro und Marca Negra). So gibt es heute eine grosse Auswahl an verbürgten Qualitäten, um die Welt der Tequila und Mezcals in all ihren Varianten zu erkunden. Darauf ein «Salud»!
Ursprünglich findet sich der handwerklich produzierte Mezcal in ganz Mexiko. Über die Landesgrenzen hinaus Berühmtheit erlangte er allerdings als Tequila. Bereits vor seiner Destillation genossen die indigenen Völker den vergorenen Saft der Agave als «Pulque» und als ein «Geschenk der Götter». Mit der Kolonisierung im 16. Jahrhundert begannen die Spanier jedoch auch mit seiner Destillation auf ihren Landgütern («Haciendas»). Bis Ende des 18. Jahrhunderts wuchs die Produktion stetig, im 19. Jahrhundert gewann der Agavenbrand im ganzen Land grosse Bedeutung. Im 20. Jahrhundert wurde der Tequila dann vollends zum Nationalgetränk. So wuchs seine Popularität z.B. in den 1930 und 1940er Jahren rasant durch die mexikanische Filmindustrie. In den vergangenen Jahrzehnten expandierte er über Nordamerika nach Europa zu uns und zelebrierte in den 1980er Jahren erste Erfolge. Vor allem in den vergangenen Jahren gewannen Tequila und Mezcal ihre Reputation als hochwertige Spirituose.