Würziges und verstärktes aus dem Wein
Wermut und Portwein gehören in die Kategorie der «verstärkten» Weine. Soll heissen: Wein wird mit hochprozentigem Weinbrand versetzt und erhält dadurch seinen besonderen und ausdrucksvollen Charakter. Für den Wermut kommt hinzu, dass dieser mit Wermut und vielen weiteren Zutaten verfeinert wird. Einblicke in die Geschichte, die Produktion und die Vielfalt rund um die verstärkten Weine.
Wermut und Portwein sind in gewisser Weise artverwandte Genossen, denn ihre Basis bildet der verstärkte Wein. Doch wo sich der Wermut vor allem in Italien und Frankreich verbreitete, erwuchs der Portwein allein in Portugal zum gewichtigen Erbe. Nebst dem puren Genuss fand der Wermut seinen Weg auch an die Bar und in den Mixed Drink, häufig in Kombination mit Gin. So ist er Geschmacksgeber in vielen klassischen Drinks – sowohl der Martini Cocktail, aber auch der Manhattan, Negroni und Blood & Sand bekommen durch den Wermut eine verführerische Note verliehen. Der Portwein hingegen ist vor allem ein Purgetränk für Kenner und Geniesser. So taucht er eher vereinzelt, dann aber umso mehr als gewichtige Zutat in besonderen Drinks auf – z.B. im Chicago Fizz, Princeton und Porto Flip, aber auch mit weissem Portwein aufgegossen als Port Tonic zum Apéro. Sowohl der Wermut als auch der Portwein tun sich zudem in der Küche als besondere Zutat hervor.
Die Geschichte des Wermuts (international «Vermouth») reicht in Europa weit zurück. Über Griechenland kam der verstärkte Wein nach Italien und wurde hier zunächst als medizinisches Heilmittel verwendet. Vor allem in Turin, der berühmten «Hauptstadt» des Wermuts («Vermouth di Torino»), entwickelte sich die Kunst um den aromatisierten Wein seit dem 18. Jahrhundert im Besonderen. So fanden viele italienischer Wermuthersteller hier ihre Wurzeln oder verbrachten zumindest ihre Lehrjahre in der Hauptstadt des Piemont. Hernach etablierte er sich auch jenseits des Juras in Frankreich und hier vor allem im Süden des Landes, darunter in Chambéry («Vermouth de Chambéry»). Mit vielen Zutaten versehen wandelte sich der Wermut im 19. Jahrhundert schliesslich zum bitter-süssen Aperitifwein mit dominierender Wermutnote, der zur Wende zum 20. Jahrhundert weltweit seine Verbreitung fand. Später gesellte sich als Produzent, wenn auch nicht allzu bekannt, Spanien als Hersteller hinzu (z.B. «Vermouth de Reus»).
Der Portwein (portugiesisch «Vinho do Porto», kurz einfach «Port») wiederum ist in Portugal zu Hause. Dessen Geschichte beginnt im 17. Jahrhundert, als englische Kaufleute auf der Suche nach einer Alternative zum französischen Wein – zwischen England und Frankreich herrschte Krieg – den Portwein im «Douro-Tal» im Norden Portugals entdeckten. Da der lange Transport auf den Schiffen in die Heimat jedoch fehlschlug und einen komplett vergorenen Wein hervorbrachte, musste eine Lösung her – nämlich die Versetzung des Weins mit hochprozentigem Weinbrand. Vor diesem Hintergrund erwuchs der Portwein im 18. und 19. Jahrhundert zu einem angesehenen und immer weiter vollendeten Produkt. Im 20. Jahrhundert erfolgte schliesslich die Verfeinerung der Herstellung – z.B. setzte sich um 1900 eine konsequente «Aufspritung» auf 20% Alkoholvolumen durch – und die weitere Internationalisierung. Noch heute ist der Portweinhandel durch die eng mit England verknüpfte Geschichte häufig in britischer Hand und vielerorts noch immer in Familienbesitz.
Vom Wein zum verstärkten und aromatischen Gesellen
Für den Wermut wird der Grundwein (vor allem Weisswein, z.B. gemischt aus «Clairette», «Colombard» oder «Macabeo») mit bis zu mehreren Dutzend natürlichen «Botanicals» (u.a. Chinarinde, Gewürznelke, Kamille, Kardamon, Sternanis, Süssholz, Zimt und vielen mehr) bereichert. Allen voran muss in dieser würzigen Mischung der Wermut («Artemisia Absinthium») für das charakteristische Geschmacksprofil sorgen. Dafür werden die Botanicals durch «Mazeration», «Digestion» oder «Destillation» zu Essenzen verarbeitet und mit mindestens 75% Anteil am Grundwein geblendet. Zur Abrundung und für das bitter-süsse Profil des Wermuts sorgt eine Portion Zucker oder auch alkoholischer Traubenmost («Mistelle»). Zuletzt wird der aromatisierte Wein mit Branntwein (v.a. Weinbrand) auf die gewünschte Alkoholstärke «aufgespritet». Wermut wird normalerweise ungereift, zum Teil aber auch fassgereift abgefüllt. Und wo er in Italien einen süsseren Charakter annahm, zeigt er sich in Frankreich von einer eher trockenen Note.
Der Portwein wiederum ist eng mit dem Douro-Tal und den ansässigen Weingütern («Quintas») verknüpft. Hier erfolgt der Anbau robuster, v.a. roter Rebsorten (z.B. «Touriga Franca», «Touriga Nacional», «Tinta Barroca», «Tinto Cão», «Tinta Roriz») auf den vielen schieferreichen Terrassen in drei Lagen («Baixo Corgo», «Cima Corgo», «Douro Superior»). Bereits im 18. Jahrhundert wurde es zum ersten geschützten Weinanbaugebiet der Welt erhoben. Berühmtheit erlangte das traditionell von Menschenfuss durchgeführte «Traubentreten» in Kelterbecken («Lagares») nach der Lese – auch wenn diese Tradition heute weitgehend mechanisiert vonstattengeht. Zwei bis drei Tage vinifiziert die so erzeugte Maische. Anschliessend wird dem süssen und fruchtigen Most durch den Kellermeister der Weinbrand hinzugegeben, um den Gärprozess vorzeitig zu stoppen, ihn damit «stumm» zu machen und zu «fortifizieren». Die Mischung («Assemblage») aus Wein verschiedener Lagen, Jahrgänge, Rebsorten und dem Weinbrand reift dann einige Jahre im Fass in der Hafenstadt Porto, bis der Portwein von hier aus in die ganze Welt gelangt.
Von junger Frische bis zur gereiften Eleganz
Beim Wermut (z.B. Mancino) reichen die Qualitäten vom weissen («Bianco», «Blanc») über den roséfarbenen («Rosato», «Rosé») bis hin zum roten Wermut («Rosso», «Rouge»). Er kann zudem in verschiedenen Graden gesüsst werden und ist so als trockener («Extra Dry», «Sec»/«Dry»), halbtrockener («Semi Sec»/«Semi Dry») oder süsser («Semi Sweet», «Sweet») Wermut verfügbar. Nach dem Öffnen lässt er sich für einige Wochen im Kühlschrank lagern und geniessen, bevor die Oxidation nach den Aromen greift. Darüber hinaus lässt er sich jedoch noch gut als Kochwein verwenden.
Auch der Portwein (z.B. Dow´s, Dom Duarte) wird nach Rebsorte, zudem aber auch nach der Art (im Fass oder in der Flasche) und die Zeit der Reifung unterteilt. Als Qualitäten finden sich der «White» (von «Very Sweet» bis «Extra Dry») oder der roséfarbene «Pink». Bei den roten Ports gibt es den jüngeren «Ruby» sowie den oxidativ ausgebauten «Tawny» mit 10, 20, 30, 40 und mehr Jahre Reife im Fass. Hinzu kommt der «Late Bottled Vintage» («LBV») als Verschnitt aus einem Jahrgang, welcher gereift besonders spät auf die Flasche gezogen wird. Absoluter «König der Ports» ist der aus einem Jahrgang gewonnene und reduktiv ausgebaute «Vintage Port» (auch als «Single Quinta Vintage»). Er gilt, sofern er aus besonderen Jahren stammt, als wahres Sammelobjekt, reift er doch einmal abgefüllt in der Flasche immer weiter. Weitere Qualitäten – zumeist Varianten der genannten – runden das Programm ab. Portwein ist, einmal geöffnet je nach Qualität einige Zeit haltbar. Zu lange sollte man sich dem Genuss – ob nun Wermut oder Port – jedoch nicht verwehren!